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Abstract
On February 5–6, 1945, within the so‐called German operation, Soviet authorities deported 675 people from Riga in the Latvian Soviet Socialist Republic to the region of Syktyvkar in the Komi Autonomous Soviet Socialist Republic. Most of them were categorized as ›German‹ by the Soviet Latvian People’s Commissariat for Internal Affairs responsible for the deportation. This article qualitatively analyzes the deportation files of those supposedly German ›special settlers‹ and focuses on how they and Soviet institutions used the national category of ›German‹ in the wake of the deportation. At issue is the discrepancy between the ascription of Germanness by authorities and the self-identification as ›non-Germans‹ put forward by the deportees in the vast majority of the files examined. For these Soviet citizens deprived of their rights and assigned to special settlements, recognition as being ›non-German‹ had significant positive consequences for the recovery of their freedom of movement. By focusing on the initiatives undertaken by the ›special settlers‹ and how repressive authorities reacted, the article addresses Soviet ›nationality‹ from the perspective of its production, implementation, and consequences for (im)mobilities. In doing so, the article highlights such ›nationality‹’ s reversible, relational nature and that it was not only ascribed but also negotiated.
Freizügigkeit durch ethnische Re-Kategorisierung verhandeln. Strategien von ›deutschen‹ Sondersiedler*innen aus Riga (1945–1972)
Im Zuge der sogenannten Deutschen Operation am 5. und 6. Februar 1945 deportierten die Sowjetbehörden 675 Menschen von Riga (Lettische Sozialistische Sowjetrepublik) aus in die Umgebung von Syktywkar (Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Komi). Die Mehrheit der Deportierten wurde vom zuständigen sowjetlettischen Volkskommissariat für innere Angelegenheiten als ›Deutsche‹ eingeordnet. Auf der Basis einer qualitativen Analyse der Deportationsakten dieser vermeintlich deutschen ›Sondersiedler* innen‹ wird in dem Artikel die Art und Weise untersucht, mit der individuelle Akteure und Sowjetbehörden die nationale Kategorie ›deutsch‹ nach der Deportation verwendeten. Es geht um die Diskrepanz zwischen dem durch die repressiven Institutionen zugeschriebenen Deutsch-Sein und der Selbstidentifikation als Nicht-Deutsche, die die Deportierten den meisten Akten zufolge vorbrachten. Die Anerkennung des Nicht-Deutsch-Seins wirkte sich für die Sowjetbürger*innen, denen die Rechte entzogen und Sondersiedlungen als Wohngebiet zugewiesen worden waren, bemerkenswert positiv auf die Wiedererlangung der Freizügigkeit aus. Der Aufsatz untersucht die Strategien der ›Sondersiedler*innen‹ sowie die Reaktionen der Repressionsorgane. Im Zentrum stehen also die Produktion und die Verwendung der sowjetischen Kategorie der ›Nationalität‹ sowie ihre Auswirkungen auf (Im)mobilitäten. Deutlich wird der umkehrbare und relationale Charakter der Nationalität, die nicht nur zugeschrieben, sondern auch verhandelt wurde.